„Das ist bei uns kein Thema, die gibt es hier nicht.“ So könnte man, laut einer aktuellen Untersuchung des Berliner Senats, eine häufige Begründung dafür zusammenfassen, warum die Schule oder Jugendeinrichtungen, das Thema sexuelle und geschlechtliche Vielfalt für irrelevant hält. Dabei definiert sich mindestens jede:r neunte Jugendliche zwischen 14 und 29 Jahren als queer. Es ist eine stille Revolution im Gange, immer mehr junge Menschen können mit dem binären Geschlechtersystem nichts anfangen, definieren sich als trans oder nicht-binär, lieben gleichgeschlechtlich oder ganz unabhängig vom Geschlecht.

Schön, dass so viele junge Menschen sich trauen, zu ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität zu stehen. Man könnte meinen, die Zeit, in der man sich „im Schrank verstecken musste“ , sei endlich vorbei. Doch wirft man einen Blick in die Jugendeinrichtungen und Schulen, dreht sich das Bild. Es scheint, als seien diese, zumindest was Geschlechterrollen und Sexualität angeht, tief in den 50er-Jahren stecken geblieben. Heteronormativität, also die Überzeugung, dass es nur zwei Geschlechter, Mann und Frau, gibt und dass Männer Frauen und Frauen Männer lieben, ist bestimmend und wird als Haltung weder wahrgenommen noch thematisiert. Die heteronormative Brille sitzt fest, den wenigsten ist sie überhaupt bewusst.

Tatsächlich sind die Lebenslagen schwuler, lesbischer, trans, nicht binärer und anderer queerer Jugendlicher in der Jugendhilfe immer noch viel zu wenig bekannt. Das Fachwissen fehlt, ebenso wie ausformulierte Qualitätsstandards und das Wissen um Interventionsformen bei queerfeindlichen Ereignissen. Es gibt in der Kinder- und Jugendhilfe so gut wie keine Angebote für queere Jugendliche, sie kommen in der Öffentlichkeitsarbeit der Einrichtungen nicht vor und sind stark von Unsichtbarkeit betroffen.
Homo-, und Transfeindlichkeit gehören für die meisten betroffenen Jugendlichen zum Alltag und bleibt nicht ohne Folgen. Die Diskrepanz zwischen den eigenen Gefühlen und Wünschen und den verinnerlichten Moralvorstellungen und der Ablehnung durch die Außenwelt führt bei vielen zu psychosozialen Belastungen. Alarmierend ist das erhöhte Suizidrisiko von queeren Jugendlichen. Es liegt 4-5 mal höher als bei anderen Jugendlichen. Von befragten trans Jugendlichen gaben 69% an, schon über Suizid nachgedacht zu haben.

Mit Queer:Space möchten wir auf die Situation für queere Jugendliche, also Jugendliche, die sich als LGBTIQ+ (lesbisch, gay/ schwul, Bi, trans, inter oder Queer und anderes) definieren, in Friedrichshain-Kreuzberg aufmerksam machen. In unserem Bezirk findet sich keine Einrichtung der offenen Kinder- und Jugendarbeit, die sich explizit an LGBTIQ+-Jugendliche wendet und es gibt auch keine sichtbaren Angebote und Hilfsstrukturen für queere Jugendliche. Dabei liegt Kreuzberg bei trans- und homofeindlichen Angriffen an zweiter Stelle in Berlin.

Gerade diejenigen Jugendlichen, die in ihrem direkten und familiären Umfeld keine Akzeptanz und Unterstützung erfahren, brauchen Orte, an denen sie sich gesehen und angenommen fühlen. Neben Räumen, die als explizit queere Räume gekennzeichnet sind, gehört die Vielfalt querer Lebenswelten in alle, auch in die regulären Angebote. Es kann nicht sein, dass sich die Diversität der Gesellschaft in Jugendeinrichtungen (und Schulen) kaum wiederfindet. Alle Jugendlichen haben ein Recht auf diskriminierungsfreie Lebensräume. Ein Klima, dass geschlechtliche und sexuelle Vielfalt achtet und schätzt, kommt allen Jugendlichen zugute. Dass ausgerechnet diejenigen Jugendlichen, die in ihrem direkten Umfeld, bei Familie und Freundinnen, in der Schule oder Ausbildung, immer wieder Diskriminierungserfahrungen machen müssen, alleine gelassen werden, ist ein unhaltbarer Zustand. Insebsondere mehrfachdiskriminierte, also beispielsweise migrantisierte, queere Jugendliche, werden so doppelt unsichtbar gemacht. Das möchten wir ändern und queere Jugendliche unterstützen.